Heute: Bruno Beinhart über die Regio-Story
Liebe Mitmenschen!
Gestern also die grosse Präsentation des Bus-Konzepts der Bürgerinitiative für ein zugfreies Gmunden. Wir werden jetzt nicht die Leserschaft dieses Blogs mit der Wiederholung aller Argumente gegen die Regio belästigen. Wir setzen die als bekannt voraus.
Zur ausserordentlich gut besuchten Veranstaltung nur ein paar Bemerkungen.
Unverkennbar ist das Thema inzwischen hoch emotionalisiert. Viele sind empört über einen Vorgang, den manche schon einen „Jahrhundertskandal“ nennen. Das mag eine Nummer zu hoch gegriffen sein, wir wissen nämlich nicht, welche Ideen noch so in manchen Hirnen schlummern und womöglich geweckt werden, die noch monströser sind.
Evident ist die Ausschaltung der Bevölkerung bei der Willensbildung. Es ist die erklärte Absicht, die Bevölkerung nicht zu befragen und das Regio-Projekt „durchzuziehen“. Als der Fachmann des Busherstellers Volvo, ein Schweizer, darauf hinwies, dass in der Schweiz ein solches Projekt natürlich einer Volksabstimmung unterzogen werden müsste (und längst unterzogen worden wäre), brandete im Saal frenetischer Applaus auf. Das den Politikern zu Warnung.
Immerhin: der zuständige Stadtrat Sageder (SPÖ) hatte die Courage, sich bei dieser Veranstaltung zu zeigen – und war klug genug, nicht das Wort zu ergreifen. Dass die eigentlichen Betreiber dieses Wahnsinns, Stern & Hafferl, sich hinter der Politik verstecken ist ebenso offensichtlich. Sie kommen nicht, verpulvern lieber Steuergelder mit Nonsens-Werbung für die Regio. Klar, wenn man viele Millionen verdienen kann unter totaler Ausschaltung des Unternehmerrisikos, kann man leicht lachen. Würde ich auch! Ich habe nur leider kein Projekt, das ich den Steuerzahlern umhängen und gleichzeitig in ihre Taschen greifen kann, um sie auszusackeln. S & H verlässt sich auf seine stumpfsinnige Werbemasche. Auch wenn man jetzt des Sujet änderte, weil man nicht mit der Kreativität der Bürgerschaft gerechnet hatte. Die hat nämlich hier im Blog jede Menge parodierender Abwandlungen des Plakats mit Slogans versorgt, die den ganzen Wahnsinn ironisch bloss stellen. Dafür an dieser Stelle danke.
Bei dieser Gelegenheit muss man eine Sache allerdings wiederholen. Gerade angesichts der gestrigen Informationsveranstaltung. Die im Gegensatz zur S&H-Werbung wirklich informativ war. Man muss nochmals auf die Entstehungsgeschichte des Durchbindungsprojekts hinweisen, um die ganze Misere zu verstehen.
Am Anfang stand keineswegs die Idee einer Verlängerung der Vorchdorfer Bahn quer durch die Innenstadt bis zum Gmundner Bahnhof. Wer das sagt, betreibt Geschichtsfälschung. Viele Jahre wurde nur davon gesprochen, die Nostalgie-Bim bis zum Rathausplatz zu führen. Es gab auch die Idee, sie eventuell bis zum Klosterplatz zu verlängern. Mit dem Hintergedanken, dann in Richtung Ostufer bis zum Umkehrplatz zu verlängern, und so die dortige Verkehrsbelastung im Sommer weg zu bekommen. Bald war aber klar, dass das erstens recht teuer gekommen wäre, zu teuer für die Gemeinde. Zweitens jede Menge logistischer Probleme, wenn man den Autoverkehr wegbekommen wollte. Die Wirte waren auch nicht gerade begeistert von dieser Lösung, obwohl sie ihnen sicher viel gebracht hätte. Schon wegen des Promille-Problems beim Autofahren. Mit der Bim ist es egal, ob man ein oder zwei Achterln mehr intus hat.
Das Projekt Bim-Verlängerung geisterte also durch die Köpfe, wurde aber nie ernsthaft angegangen.
Dann aber dämmerte den Gemeindepolitikern, dass eine Menge Sanierungsarbeiten in der Innenstadt anstanden: Leitungen in der Theatergasse bzw. Kammerhofgasse und vor allem die Brückensanierung. Jetzt fand der Sündenfall statt. Denn natürlich hätte man eine sehr einfache und logische Strategie zur Finanzierung wählen können. Niemand kann die Gemeinde zwingen, sich diese Strasse „schenken“ zu lassen. Man kann Bedingungen stellen: Sanierung der Einrichtungen und der Brücke. Dank der jahrzehnte langen Verschwendungspolitik von ÖVP und Köppl – teilweise von den anderen Parteien freudig mit getragen – ist Gmunden extrem knapp bei Kassa und kann solche Beträge schwer selbst aufbringen. Also beschritt man diesen Weg nicht.
S&H hatte eine bessere Idee: Verlängerung der Vorchdorfer Bahn durch Gmunden. Im Zuge dessen die Sanierungsarbeiten erledigen und das Land zur Kassa bitten. Eine Strategie, die nur für S&H von Nutzen war. Denn man hätte nicht daran vorbei können, der Gemeinde bei der Sanierung finanziell beizustehen. Aber wie das ist in Gmunden: Think big! Und weil es um die Öffis geht, fallen auch die Grünen, die sonst immer „Small is beautiful“ rufen, bereitwillig darauf herein. Man hat sie mit dem Kapperl gefangen, wie man so schön sagt. Die geldgebende Eierwollmichsau war erfunden. Von da an lief alles wie auf „Schienen“.
Es wurde also nicht – wie es sein sollte – zuerst ein Bedarf festgestellt und dann daraus ein Projekt. Sondern es geschah umgekehrt. Man hatte ein Projekt und suchte Begründungen, es zu realisieren. Da griff man auch zu eher unorthodoxen Massnahmen wie etwa der Schätzung des bestehenden Passagieraufkommens, dazu verhaltensoriginelle Ergänzungen wie die Hochrechnung des geschätzten Fahrgastvolumens. Vermutlich unter Verwendung des Newtonschen Näherungsverfahrens:
Es trafen sich zwei Interessen: die der Stadt, die Kosten der Sanierung zu minimieren. Und die von S&H, sein lokales Verkehrsmonopol auszuweiten, zu zementieren und dem Steuerzahler unter Ausschluss des eigenen Unternehmerrisikos langfristig aufzubürden. So entstand eine unheilvolle Allianz. Die Bevölkerung wurde weiterhin im Glauben belassen, es ginge um eine Verlängerung der Nostalgie-Bim. Eines der Probleme von S&H war nämlich eine seit Jahren bekannte EU-Richtlinie. Die schrieb die Barrierefreiheit für öffentliche Verkehrsmittel vor. Das ist die alte Bim natürlich nicht. Sie hätte ab 2016 nicht mehr als öffentliches Verkehrsmittel betrieben werden dürfen, nur noch als Touristenattraktion. (Wobei wir alle wissen: die Touristen, die mit der als „kleinste Strassenbahn der Welt“ beworbenen Bim fahren, kann man an einer Hand abzählen. Im Jahr!) Die Folge: die Bim hätte nicht mehr öffentlich suvbentioniert werden dürfen. S&H wäre um dieses risikolose aber einträgliche Geschäft umgefallen. Eventuelle Verträge zur öffentlichen Finanzierung wären ungültig geworden (EU-Recht sticht nationales Recht!). Die Rettung: Durchbindung der Vorchdorfer Bahn und Beseitigung der Nostalgie-Bim.
Damit begann das traurige Spiel: Projekt sucht Begründung. Nach dem Motto: wir haben schon mal eine Lösung, das zu lösende Problem erfinden wir schnell dazu.
Seit damals gibt es keine kritischen Fragen mehr. Es ging nur noch darum, die Rechtfertigung für ein Projekt zu suchen, das die von der ÖVP demolierten Stadtfinanzen schont und S&H den Zufluss von Steuergeldern langfristig sichert. Eine unheilige Allianz von Politik und Wirtschaft, wie sie für Gmunden so typisch ist. Hätte man dieses Gehirnschmalz dafür verwendet, wirklich gute Ideen für die Innenstadt und ihre kleinen Gewerbetreibenden zu entwickeln, stünde man heute besser da. Die Regio wird nämlich keines der realen Probleme lösen. Jeder weiss das, niemand von den Befürwortern will es zugeben.
Eine grosse Schwachstelle der Bürgerinitiative sei auch einmal klar benannt: man ist sich dort, das ist mein Eindruck, nicht einig in der Frage Sperre der Innenstadt ja oder nein. Ein zugegeben schwieriges Thema. Aber man mache sich keine Illusionen: eine Verkehrsberuhigung wird es nur geben, wenn man – wie in den Orten an den oberitalienischen Seen – tagsüber die Ortsdurchfahrt sperrt. Alles andere ist eine Illusion. Das Geplapper von der Begegnungszone ist genau das: Geplapper. Wer will tatsächlich in der Theatergasse der Regio begegnen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Individualverkehrs? Hier ist es an der Zeit, dass sowohl Gegner als auch Befürworter endlich klar sagen, was sie wollen: Sperre oder Nicht-Sperre der Durchfahrt (im obigen Sinn)! Eine Begegnungszone ohne Sperre der Autodurchfahrt ist in jedem Fall ein schlechter Witz. Da möchte ich darauf hinweisen, dass der Vorschlag von Christian Dickinger, SP-Vizgebürgermeister, einmal mit probeweisen Sperren an Samstagen zu beginnen, endlich ernsthaft diskutiert gehört.
Wir hier im Team sind für die Sperre, damit das klar gesagt ist! Sperre der Durchfahrt und keine Regio – das ist die sinnvollste Lösung (dazu ein ordentliches Konzept der Revitalisierung der Innenstadt mitsamt flankierende Massnahmen für die Geschäfte, bis das Konzept greift). Ausserdem einen sinnvollen Um- bzw. Ausbau des Busnetzes. Denn das ist jetzt schon von fragwürdigster Qualität. Hätten die Verantwortlichen ihr Ohr näher an der Bürgerschaft und ihre Arschbacken auch ausserhalb von Wahlzeiten auf den Sitzen in den Öffis (wären als selbst intensive Nutzer), wüssten sie das längst. Sollten sie es aber wissen und schweigen – umso schlimmer.
Halten wir noch einmal fest: die Regio ist für die Stadtpolitik ein Werkzeug, um sich Sanierungskosten zu sparen. Man legt als Gemeinde nur ca. sechs Millionen hin anstatt geschätzter 20 Millionen (inkl. Brücke). Damit Gmunden sich 14 Mille spart, muss die Steuerzahlerschaft dummerweise rund 60 Millionen mehr ausgeben, als eigentlich notwendig wären. Das ist die Höhe des Schadens für die öffentlichen Haushalte, die mit unseren Steuergeldern gespeist werden. Sechzig Millionen Mehrkosten, damit die Stadtgemeinde sich 14 erspart. Das in Zeiten, da ganze Spitalsabteilungen gesperrt werden, weil kein Geld da ist. Es ist da. Es wird nur falsch ausgegeben, von unseren Spatenschwingern sinnlos verbuddelt. Wer da nicht von einem Wahnsinnssystem spricht, dem ist nicht mehr zu helfen.
Nachbemerkung: Es wurde auch noch nie untersucht, ob der Brückenneubau überhaupt nötig und sinnvoll ist. Es kann doch nicht sein, dass man solche Bauwerke alle paar Jahrzehnte wegreisst und neu baut. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Das sollten eigentlich auch die Grünen merken. Warum wird die Brücke nicht saniert? Kostet auch Geld, aber der teure Neubau wird wohl nur wegen der schweren Züge, die dann fahren sollen, fällig. Eine Vergeudung nicht nur von Geld, sondern auch von Resourcen, liebe Grüne, schreibt euch das bitte ins Stammbuch und denkt darüber einmal nach! Vertretet ihr die Interessen von Nachhaltigkeit oder die der Bauindustrie? Und denkt auch darüber nach: wenn man Brücken um 20 Jahre zu früh demoliert, heisst das, bei der angeblichen Lebensdauer von ca. 70 Jahren, fast ein Drittel der Lebensdauer nicht zu nutzen. Wenn wir das zum Modell für offentliche Bauten erheben, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht!
Dass das Fundament der Brücke aus dem Jahr 1901 und aus Holz ist, ist ein schwaches Argument für den Neubau. So wie man auch jetzt die Brücke nicht wegreisst, sondern in zwei Schritten neu errichtet, könnte man auch die Fundamente sanieren und die Brücke damit für ungefähr 50 Jahre weiteren Gebrauchs sanieren – das wäre eine ökologisch nachhaltige und sinnvolle Lösung. Eigentlich ein grünes Thema. Gell, würde unsere Babsy noch anfügen.
Bruno Beinhart f. d. Team Gmundl
Wir ersuchen um Entschuldigung für die anhaltenden Verspätungen im Blog-Veröffentlichen. Unser Nerd ist noch am Werken …
Ja, liebe Mitmenschen! Auch heute unsere Plakatserie „Ich freu mir einen Ast ab“. Noch immer trudeln haufenweise Slogans ein. Danke!
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