Warum Gmunden?

TTIP_Plakat_klModeration: Josef Sperrer (Grüne Gmunden)

Heute:
Steinlaus über Gmunden

Liebe Mitmenschen!

Die Behauptung, Gmundner ersaufe im Stau, ist tatsächlich nicht so recht nach zu vollziehen. Die Zahl von angeblich 15.000 Autos, die angeblich täglich durch die Stadt rattern, ist ein Ammenmärchen. Wir haben das hier auch schon einmal im Vergleich mit den vielbefahrensten Strassen Österreichs gezeigt.

15.000 Autos pro Tag – das bedeutet: alle sechs (!) Sekunden ein Auto, und zwar rund um die Uhr, von null Uhr bis null Uhr! Purer Unsinn. Wenn man von zwölf Stunden Verkehrsgeschehen ausgeht (realistisch, abends und nachts ist Gmunden fast autoleer!), bedeutet das alle drei Sekunden (!!!!!) ein Auto. Zwölf Stunden hindurch müssten sich jeweils einundzwanzig Benzinkutschen pro Minute durch die Stadt bewegen. Das ist offenkundig und leicht erkennbar falsch. Aber gut, in Gmunden sind Zählungen nun einmal Glücks- bzw. Interessenssache. Man kennt das auch von den Frequenzangaben zur Bim.

Was die Zukunft Gmundens als Einkaufsstadt betrifft, muss man sehr, sehr skeptisch sein. Die klassische Innenstadt stirbt weg. Das ist angesichts neuer Technologien im Handel praktisch unvermeidlich. Die idyllische Vorstellung der mittelalterlichen Stadt mit ihren Geschäften und Handwerksbetrieben geht an der gesellschaftlichen und auch technischen Realität vorbei. Egal ob Gross- oder Kleinstadt: es werden nur jene Geschäfte überleben, die Leistungen bieten, die im Internet nicht möglich sind. Der Grossteil des Handels ist zum Sterben verurteilt, alles andere ist eine Illusion.

Halten können sich – zumindest derzeit noch – Geschäfte im Bereich Lebensmittel. Frisches Gebäck übers Internet spielt es derzeit erst in den Grossstädten. Ebenso alle Arten von Frischwaren. Aber selbst hier sind bereits gravierende Änderungen im Gang. Die grossen Ketten setzen auf Hauszustellung. Da das Qualitätsbewusstsein der Menschen dank Werbeflut der Konzerne sinkt, ist vieles möglich. Etwa den Leuten das Aufback-Gebäck der Ketten als Qualitätsprodukt zu verklickern. Viele Menschen kennen leider den Unterschied (und den Wert!) von ehrlich hergestellter Bäckerware (jenseits der leider auch von vielen Bäckern verwendeten Fertigmischungen) nicht mehr. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Hauszustellung der Ketten auch in kleineren Städten wie Gmunden ankommt.

Nicht gefährdet sind Dienstleistungsgeschäfte, man denke an den Friseur. Oder jene Handelsgeschäfte, die eine spezielle Leistung anbieten, die über das Internet nicht realisierbar ist. Also der Verkauf von Gegenständen, die eine kundenspezifische, persönliche Anpassung benötigen. Man denke an Optiker oder orthopädische Geschäfte. Da ist auch jenes miese Kundenverhalten nicht möglich, wie es etwas den Elektrohandel längst prägt: sich beim Fachhändler die komplexe Technik erklären lassen, und dann zum Media-Markt fahren und das Gerät billig kaufen. Oder im Internet über eine der Preisplattformen den billigsten Versender suchen.
Wobei auch hier immer mehr Webseiten mit einer Chatfunktion arbeiten, bei der man von einem Mitarbeiter beim Kauf beraten wird. Der hier von uns oft verulkte Internet-Schrabacher („Bitte kauft nicht im Internet!“) ist so besehen eigentlich eine tragische Erscheinung: ein Wirtschaftsvertreter, der die Zeichen der Zeit entweder nicht lesen kann oder völlig falsch interpretiert. Der mit seiner einfallslosen Retro-Politik die Stadt noch tiefer in die Krise treibt. Selbst ÖVP-affinen Gewerbetreibenden wird das immer klarer.

Auch die Gastronomie im weitesten Sinn (also von Bar über Café bis Restaurant) ist vom Internet wenig tangiert. Aber man kann die Innenstädte letzten Endes nicht mit gastronomischen Betrieben zupflastern. Da fehlt erst recht die Kundschaft. Die Frequenz in den ehemaligen Einkaufsgegenden der Städte wird naturgemäss geringer. In einer Stadt wie Gmunden kann das der Fremdenverkehr nicht ersetzen, da die Saison einfach zu kurz ist. Daran wird sich in den nächsten Jahrzehnten auch dann nichts ändern, wenn der Klimawandel tatsächlich nachhaltig und kräftig einsetzt. (Was man sich andererseits auch nicht wirklich wünschen kann!)

Normaler Handel jedenfalls wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Das Warenangebot bei amazon (längst nurmehr nebenbei auch Buchhändler) ist derart überbordend, da können die kleinen Geschäfte nicht mithalten. Die Auswahl ist ausserordentlich hoch, die Preise günstig, der Versand praktisch gratis. Dazu die einfache Rückgabemöglichkeit ohne Scherereien.

Ohne einen völlig neuen Mix an Geschäften, werden die Zentren der Kleinstädte weiter veröden. Erst wenn man sich dieser Realtität stellt, besteht eine Chance, die Stadtkerne erneut mit Leben zu füllen.

Noch immer setzt die Kommunalpolitik auf Marketinglösungen. Ohne zu erkennen, dass von den Marketing-Fuzzis vorwiegend Banalitäten abgehandelt und teuer als „Konzept“ verkauft werden. Den Menschen hängt dieser ganze Markteing-Mist längst beim Hals heraus, bei dem man nur auf mehr Kommunikation und vermeintlich bessere Verpackung setzt. In Wahrheit aber braucht es nicht mehr Werbung, nicht die dauernd gleichen Marketings-Maschen (noch mehr Sondereinkaufstage, Stadtbummeleien etc.). Was gebraucht wird, sind neue Konzepte für die Stadtstruktur, für den Geschäftemix und für das Angebot, das die Innenstädte den Menschen machen. Gefragt ist eine richtungtsweisende Vision dessen, was in Zukunft die Funktion von Innenstädten sein kann.

Mitzudenken wären da auch kulturelle Angebote, die sich jenseits von Lärm, Remmidemmi und Vergnügungspark-Ambiente bewegen. Die Verrummelplatzung der Innenstädte, wie sie derzeit landauf-landab überall in überall gleich öder Ausprägung stattfindet, ist nicht die Lösung, sondern in Wahrheit ein Teil des Problems. Drei Tage nächtlicher Lärm am Rathausplatz, wie es etwa in Gmunden gern gehandhabt wird, bringt zwar einige Leute in die Stadt. Aber die Besucherzahlen täuschen darüber hinweg, dass die Innenstädte davon nicht profitieren, sondern die letzte Lebensqualität verlieren: wer will schon in einer Innenstadt leben, in der ausgerechnet am Wochenende, wenn man Erholung von der Arbeitswoche sucht, stundenlang die Laufsprecher dröhnen?

Heute im Gastkommentar einmal ein ganz anderer und höchst interessanter Blick auf solche Stadtprobleme.

Bruno Beinhart f. d. Team Gmundl


 Wer bedenkt das Ganze?

Gastkommentar von Steinlaus

Zuerst ein paar Worte zum Stau. Fahren Sie zwischen ca. 8 und 12 Uhr oder zwischen 13 und 17 Uhr durch die Stadt, und Sie werden sich über die geringe Verkehrsfrequenz wundern. Müssen Sie trotzdem anhalten, dann wegen einer roten Ampel. Der innerstädtische Autoverkehr wird seit Jahren nicht mehr, sondern weniger. Sehr viel weniger. Noch weniger wird er werden, wenn die Ostumfahrung eröffnet wird. Der Staumythos geistert allerdings seit der Tunnelkampagne durch den Raum und wird, je nach Gesinnung, für diverse Interessen strapaziert.

Zum Beispiel bedienen sich die Fuzoidealisten dieser Darstellung. Wunschvorstellungen schaden an sich niemandem. Wünsche, die unbelastet von Fachwissen als scheinbare Lösung für ein komplexes Problem daherkommen, können aber durchaus schädlich sein.

Hier ist etwas auszuholen. Warum gibt es die Stadt? Warum gibt es Gmunden? Und warum kann die Innenstadt noch immer ihre Funktionen, allerdings eingeschränkt, ausüben? Die Stadt existiert, weil seit Jahrhunderten Gmundens Bürger mit ihren Mitarbeitern, neben ihren rein kommerziellen Verpflichtungen, jenen Mehrwert erwirtschaftet haben, der eine urbane Struktur möglich machte. Und sie arbeiten noch immer daran – jetzt unter erschwerten Bedingungen – dieser kulturellen Aufgabe gerecht zu werden. Die Bausubstanz die ihre Betriebe beherbergt, muss erhalten bleiben.

Und warum geht das erstaunlicherweise immer noch? Es geht, weil es nach wie vor eine erhebliche Anzahl von Menschen gibt, die ganz bewusst in der Innenstadt einkaufen. Deren Einkaufsverhalten trägt ganz wesentlich zum Erhalt der Stadt und somit einer Wirtschaftsform bei, die von anderen Kriterien dominiert ist, als die flächenfressende Megastruktur an der Peripherie. Für viele dieser Kunden (nicht Konsumenten), die vom öffentlichen Verkehr nicht erreicht werden, oder denen der Fußweg oft schon zu mühsam ist, ist eben das Auto die erste Wahl. Soll ein Geschäftsbetrieb in der Innenstadt noch irgendwie sinnvoll sein, kann auf diese Klientel nicht verzichtet werden.

Der Wunsch diverser Schöngeister, irgendwann, wenn der richtige Wind weht und wenn auch sonst alles passt, auf einem autofreien Platz einen Drink zu konsumieren ist sicher legitim. Geschäftsgrundlage ist es keine.
Über eine Fußgängerzone nachzudenken, lohnt sich nach Aussage von Fachleuten bei einer täglichen Frequenz von ca. 15.000 bis 20.000 Passanten. Auch andere Voraussetzungen müssen erfüllt sein. (Allein die Topographie macht einen Vergleich mit anderen Städten zur Makulatur.) Erinnern möchte ich hier an das Fuzodesaster aus der Ära Sandmeier: 5 Fahrverbotstafeln und 5 roh gezimmerte Bänke wurden aufgestellt, die bei Berührung den Passanten auf die Zehen fielen. Ähnliche Herangehensweisen sind auch jetzt zu befürchten. Was damals erreicht wurde, war eine schlagartige Reduzierung der Kundenfrequenz.

Wozu eine Brückensperre gut sein soll, erschließt sich mir nicht. Nicht nur für einen Großteil der angesprochenen Klientel wäre in diesem Fall der Besuch der Innenstadt sehr umständlich oder nahezu
unmöglich. Auch die Bewohner, die einen ganz wesentlichen Beitrag zum Weiterbestand einer lebenswerten Stadt leisten, wären massiv betroffen und zu weiten Umwegen gezwungen.

Ideen, die den Durchzugsverkehr reduzieren, sind allerdings sehr willkommen. Den Ziel-, Quell- und Binnenverkehr komplett zu unterbinden könnte das endgültige Aus innerstädtischen Geschäftslebens
sein. Wer kann das wollen?


Besonders erfreulich ist es, wenn man mit einem Projekt, das soviel Geld verschlingt für nix, zu einem anderen hochversprochenen Projekt fahren kann, für dessen Realisierung das Geld fehlt. Also: beinahe fahren kann, denn wegen des Geldmangels wird das von der Bevölkerung ersehnte und hoch nachgefragte Projekt eines Hallenbads nicht so bald kommen. Auch wenn es Pühringer im letzten Wahlkampf vollmundig versprochen hat – wie so vieles andere, auf das die Bevölkerung bis heute wartet. Aber keine Sorge: an den nächsten niemals realisierten Wahlversprechen wird schon intensiv gearbeitet.

ich_freu_mich_therme


Plakat Warum keine Korruption in Gmunden gibt-2
Plakat von Karl Kammerhofer


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