Wahl voraus!

Heute:
Gastkommentar von Michael Amon zur Wahl

Liebe Leserschaft!

Ich fasse mich heute kurz und lasse andere arbeiten. Heute konkret den zeitweise auch in Gmunden lebenden Autor Michel Amon. Seine ersten Überlegungen rund um die kommenden Wahlen lesen sie heute hier. Exklusiv. Nur bei uns. Wir wissen, dass unsere Leserschaft das ebenso schätzt wie wir.

Bruno Beinhart f. d. Team Gmundl

Michael Amon legt Wert auf die Feststellung, dass er, troztdem er Sozialdemokrat ist, versucht, hier halbwegs objektive Überlegungen anzustellen, ohne seine Grundhaltungen zu verleugnen.


Überraschungen nicht ausgeschlossen!

Ein Gastkommentar von Michael Amon

Die Wahlvorschläge liegen vor. Die Parteien und Bewegungen haben sich positioniert, vorerst logischerweise vor allem personell. Einen Teil meiner Einschätzung hat Bruno Beinhart hier schon gestern vorweggenommen. Einen Großteil seiner Analyse teile ich. Hier ein paar ergänzende Überlegungen. Notgedrungen werde ich mich auf weiten Strecken mit der SPÖ beschäftigen, denn sie war bisher die zweitstärkste Kraft in Gmunden und im Land. Diese Position ist mehr als nur gefährdet.

Auf das Paradox, daß die Partei mit der ältesten Wählerstruktur auf den ersten zehn Listenplätzen den niedrigsten Altersschnitt hat, wurde hier im Blog schon hingewiesen. Ebenso, daß die Parteien mit den meisten »Jung«wählern den höchsten Schnitt aufweisen. Bei genauerem Betrachten auch der hinteren Listenränge fällt aber etwas Beunruhigendes auf. Und zwar quer durch die Parteien. Normalerweise »lauert« auf diesen hinteren Rängen der Nachwuchs. Heute werden diese Listenplätze mit dem »altgedienten« Personal gefüllt. Mit Leuten, die ins zweite Glied zurücktreten. Das zeigt, wie groß die Probleme der Parteien sind, ausreichend Nachwuchs zu finden, und diesen langsam in die Gemeindepolitik einzuführen. Einzelne Ausnahmen bestätigen diesen Befund nur. Denn gerade die SPÖ, auch das wurde hier schon erwähnt, füllt die hinteren Listenplätze fast ausschließlich mit Pensionisten, die einfach nur als Platzfüller agieren. Insgesamt scheinen die Rekrutierungswege der Parteien nicht sehr effektiv zu sein, die Parteistrukturen wenig attraktiv auf junge Menschen zu wirken.

Die SPÖ hat dazu noch ein grundlegendes Problem: ihre alten Strukturen sind zusammengebrochen, aus vielen Gründen, die ich im Detail hier nicht erörtern will. Seit der letzten Wahl hat man die direkte Kommunikation mit den Mitgliedern praktisch eingestellt und sich auf einen kleinen Kreis von »Aktiven« konzentriert. Ausdruck dessen ist etwa, daß in den sechs Jahren seit der letzten Wahl keine einzige Ausgabe der Stadtzeitung der SPÖ erschienen ist. Nur über Presseaussendungen, die in den Medien oft verstümmelt oder gar nicht wiedergegeben werden, kann man mit den Mitgliedern nicht sinnvoll kommunizieren. Wie sollen die eigenen Mitglieder oder gar die Bevölkerung von den politischen Positionen erfahren? Während etwa die Labour-Party nicht nur auf allen Ebenen die Parteichefs in echten Urabstimmungen wählt, schwärmen dort in Wahlzeiten (und auch dazwischen) die Mitglieder aus, um möglichst viele Menschen zu besuchen und mit ihnen dauerhaft in direktem Gespräch zu bleiben. Nicht viel anders machen es die Demokraten in den USA. Die SPÖ wird zu einer Grassroot-Bewegung zurückkehren müssen, wenn sie wieder auf die Straße des Erfolgs zurückkehren will.
Zu  diesen Grundsatzproblemen kommt, mein lieber Freund Dickinger wird mir da wahrscheinlich heftig widersprechen, daß der Kurs der SPÖ in Sachen Asamer-Hotel für Nicht-Insider mehr als undurchschaubar war. Mit der Regio-Tram wird nicht viel zu holen sein, denn in dieser Frage ist die Bevölkerung erstens gespalten, zweitens wetteifern hier gleich drei Parteien (rot, grün, schwarz) um die Befürworter dieses Projekts.
Eine personelle Erneuerung, wie sie die ÖVP sehr rigoros umgesetzt hat, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Der von mir trotz der Differenzen in Fragen Regio geschätzte, fleißige und hochanständige Stadtrat Sageder ist kein Publikumsmagnet. In Spitalsfragen, wo einiges zu holen wäre angesichts der fühlbaren Probleme, wurde Sageder mit seinem einsamen (und durch die zwischenzeitlichen Erfahrungen gerechtfertigten) Widerstand von der eigenen Partei einst im Regen stehen gelassen. Dank der irrlichternden Haltung der Landespartei bei der Spitals»reform« ist da nichts mehr drin. Fraktionsobmann Hochegger spricht nur einen sehr überschaubaren Kreis an, sein Bekanntheitsgrad tendiert Richtung null. Dickingers derzeit affichiertes Plakat ist auch nicht gerade ein Knüller. Da muß mehr kommen. Dazu hat die Gmundner SPÖ mit ihrer nicht wirklich nachvollziehbaren Haltung in Sachen Unterführungen nach Pinsdorf dem dortigen roten BM ein ziemlich faules Ei gelegt. Klassische Kirchturmpolitik. Noch dazu von einer falschen Annahme ausgehend, nämlich daß die Sperre der Durchfahrt „nur“ die Pinsdorfer betrifft. Eine schwere Fehleinschätzung. Die Empörung in der Gmundner Bevölkerung ist enorm und der SP total entgangen. Profiteur: die FP – sowohl in Gmunden als auch in Pinsdorf. Kann den dortigen SP-BM das Amt kosten …
Die Achillesferse der SPÖ bleibt in jedem Fall die Mobilisierung der eigenen Anhänger und potentiellen Wähler. Nicht alle werden die Kalamitäten rund um den ehemaligen roten Mandatar Kammerhofer vergessen haben, der nun für die Grünen kandidiert und durchaus Wähler dorthin abziehen könnte.  Dazu kommt die miserable Performance sowohl der Bundesregierung als auch der Landespartei. Die SPÖ wird sich einiges einfallen lassen müssen, um nicht sehenden (oder gar unsehenden?) Auges in ein Debakel zu schlittern. Die Mischung aus eigenen Fehlern und Gegenwind aus Land und Bund wird es schwer machen, selbst das grauenvolle Ergebnis der letzten Wahl zu halten.

Der ÖVP geht es ein wenig besser. Aber nicht so wirklich. Krapf ist zwar ein sicherer Kandidat für den zweiten Wahlgang, aber ob er den gewinnt, wird wohl davon abhängen, wer Gegenkandidat/in ist. Da ist aus heutiger Sicht alles offen. Die FPÖ ist ohnehin landesweit im Aufwind, die kann fast nichts falsch machen. Die Grünen sind in Gmunden recht gut aufgestellt, der neue Spitzenkandidat ist so wie Krapf ein unverbrauchtes Gesicht (im Gegensatz zu Löcker und seiner Lonely-Man-Stadtliste oder Dickinger). Welches Potential das birgt, wird sich bald zeigen. Aus meiner Sicht wird es einen Dreikampf zwischen FP, Grünen und SP um das Erreichen des zweiten Wahlganges geben. Ob hier Enzmann, Dickinger oder Sperrer reüssieren und in den zweiten Wahlgang kommen, traue ich mir nicht einzuschätzen. Objektiv hat die SPÖ die schlechtesten Karten.

Das verdankt sie einerseits eigenen, schweren und langjährigen Fehlern, aber auch der infamen Strategie der ÖVP in Flüchtlingsfragen. Immer mehr kristallisiert sich heraus, daß die ÖVP und ihre Innenministerin hier einen ziemlich zynischen und verantwortungslosen Kurs fahren. Man bläst durch Untätigkeit ein lösbares Problem so auf, das es unbeherrschbar erscheint. Anstatt z. B. die Flüchtlinge mitsamt Schleppern auf den wenigen und überschaubaren Grenzübergängen, die als Hauptzufahrt dienen, zu »kassieren«, läßt man sie weit ins Land hinein. Folge: man sammelt täglich einige Dutzend Flüchtlinge auf der A1 und zwei oder drei anderen Strecken ein, dazu die entsprechenden Schlagzeilen in den Tageszeitungen. Schon haben die Österreicher den Eindruck, daß sich eine Flut über das Land ergießt. Ein Befund, der nicht stimmt, sondern bewußt provoziert wird. Warum? Die ÖVP rechnet sich aus, daß von solchen Eindrücken vor allem die FPÖ profitiert, und in erster Linie die SPÖ beschädigt wird. Sie verliert Wähler in Richtung FP, denen sie den Asylanten gegenüber zu lasch erscheint. Und sie verliert in Richtung Grüne jene Wähler, die das Gefühl haben, die SP sei zu lasch in Menschenrechtsfragen. Herr Niessl im Burgenland ist politisch dumm genug, mit seinen Wortmeldungen die Strategie der ÖVP noch zu stützen. Das Erstarken der FP nimmt die ÖVP in Kauf. Ihr ist es egal, mit wem sie koaliert, während weitere Koalitionen mit der FP die SP zerreissen würden.

Allerdings wird die ÖVP mit höchster Wahrscheinlichkeit ihre Mehrheit im Gemeinderat verlieren und auch auf Landesebene wird sie ziemlich absacken. Für den Landeshauptmann wird es reichen, ob es in Gmunden für den Bürgermeister reicht, da würde ich keine Wetten abschließen. Zum großen Glück der ÖVP hat die Bürgerliste (BIG) auf einen BM-Kandidaten verzichtet. Trotz anders lautender Beteuerungen des BIG-Spitzenkandidaten, glauben viele, daß die BIG der ÖVP nicht wirklich weh tun will, und darum auf einen eigenen BM-Kandidaten verzichtet hat. Hier muß wohl jeder für sich entscheiden, wie er das einschätzt. Für diese These spricht, daß sie von der ÖVP nicht zum ersten Mal angewendet werden würde. Dagegen spricht die Tatsache, daß eine ganze Reihe von Kandidaten der BIG die Politik der ÖVP in Gmunden schon seit langer Zeit mit sehr kritischen Augen betrachtet haben. Die BIG wird die ÖVP jedenfalls viele Stimmen kosten, das steht außer Frage. Dazu kommt, daß solche Listen ein Eigenleben entwickeln, eine eigene Dynamik. Man sollte also nicht vorauseilend annehmen, daß das eine Truppe ist, die automatisch mit der ÖVP geht. Da spricht einiges dagegen. Sicher ist, daß mit dem Auftreten der BIG die FPÖ ihre Alleinvertretung der Regio-Skeptiker verloren hat. Ob das wirklich Stimmen kostet, ist schwer zu beurteilen.

Aus heutiger Sicht – und unter Berücksichtigung der bisherigen Wählerströme sowohl bei den Landtags- als auch Gemeinderatswahlen im Burgenland und in der Steiermark – muß man davon ausgehen, daß ÖVP und SPÖ zu den großen Verlierern zählen werden. Nach den schweren Verlusten der SP bei den letzten Wahlen, wird sie zwar weniger verlieren als die ÖVP (da ist einfach zu wenig da, was noch zu verlieren wäre), aber die SP muß damit rechnen, auf den dritten (im Land) oder gar vierten Platz (in Gmunden) zurückzufallen. Außer, es geht ein Ruck durch die SPÖ. Wie das geht, hat die SP in Ebensee gezeigt: dort wurde nach dem Verlust der absoluten Mehrheit die Riege der Stadträte radikal erneuert, ebenso der Parteivorstand, dazu ein neuer Bürgermeister. Die Ebenseer Liste der SP weist in der um gut 30 % kleineren Stadt 73 Kandidaten auf, die Gmundner SP-Liste 53. Auch das ein Krisensymptom. Aber vielleicht geschieht noch ein Wunder.
Profitieren werden wohl Grüne, FPÖ und BIG, die sich um jene Stadtratspositionen matchen, die bei SP und VP voraussichtlich verloren gehen werden.
Wie weit die Neos eine Rolle spielen können, ist kaum vorhersehbar. Das Wählerpotential in Gmunden wäre vorhanden. Die Frage ist aber, warum jemand die Neos und nicht BIG oder die Grünen wählen sollte. Da werden sich die Neos noch einiges einfallen lassen müssen.
Zu Löcker fällt mir noch weniger ein. Auch in diesem Fall wurde hier schon gestern darauf hingewiesen, daß man nicht recht weiß, worin seine Politik oder gar Wirkung bestanden haben könnte. Inzwischen gibt es mit der BIG eine zusätzliche Alternative. Vielleicht können auch die Grünen einige Löcker-Wähler wieder zurückgewinnen. Persönlich halte ich eine Stimme für Löcker für eine verlorene Stimme, überhaupt angesichts der gegebenen Alternativen.

Die entscheidende Frage wird sein: mit wem hat die ÖVP im Gemeinderat eine Mehrheit? Wünschenswert wäre jedenfalls keine feste Koalition, sondern ein freies Spiel der Kräfte mit wechselnden Mehrheiten im Gemeinderat. Das würde auch am besten der inhomogenen Struktur der Wähler in Gmunden entsprechen. Ob die FPÖ – bei entsprechender Stärke – der Versuchung widerstehen wird, sich fix an die ÖVP zu binden, ist eine offene Frage. Manche kolportierten Äußerungen der FP-Spitzenkandidatin Enzmann sprechen stark für eine gegebene ÖVP-Affinität. Auch das sollte bei der Wahl bedacht werden, wenn die FPÖ sich diesbezüglich nicht klar und unmißverständlich äußert.

Es wäre übrigens höchste Zeit, endlich die Verträge mit Stern & Hafferl im Zusammenhang mit der Regio offenzulegen. Damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was hier wirklich läuft, und damit BIG und FP endlich klar sagen können, wie bei entsprechend veränderten Mehrheitsverhältnissen eine alternative Lösung umgesetzt werden könnte.

Wie auch immer: die Wähler sind in Bewegung. Überraschungen sind da nicht auszuschließen.


wahl_04OK, bei uns in OÖ sogar nur einmal in sechs Jahren!


 

 

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