Liebe Leserschaft!
Heute der versprochene zweite Gastkommentar von Michael Amon zu den Wahlen in OÖ. Wir wünschen interessante Lektüre. Und eine heftige Diskussion.
Morgen bringen wir Beiträge zur „Wirtschaftspolitik“ in Gmunden und das fröhliche Urständ feiernde Förderwesen, das niemand brauchen würde, wenn die „Förderer“ nicht erst die Ursachen für Probleme geschaffen hätten.
Am Dienstag dann die für Montag angekündigten Zahlen rund um die Wahlen. Wir machen es spannend. Bitte schon mal die seat belts suchen!
Bruno Beinhart f. d. Team Gmundl
Sesselkleber und Schifferl versenken
Wahlbeobachtungen als Gastkommentar von Michael Amon
Grundsätzlich muß man festhalten, daß Wahlen nicht in den letzten Wochen vor dem Wahltag, sondern in den Jahren davor verloren werden. Ein gelungener Wahlkampf kann Tendenzen verstärken oder abschwächen, aber nur in seltenen Fällen einen totalen Stimmungsumschwung bewirken. Er kann bei Kopf-an-Kopf-Rennen die entscheidenden Stimmen bringen oder oder sie endgültig verspielen. Konkret gesagt: der Versuch mancher Parteien, die Fehler einer gesamten Legislaturperiode in drei oder vier Wochen Intensivwahlkampf vergessen zu machen, ist meist vergeblich. Auch wer nach sechs Jahren der Untätigkeit (oder von Aktivitäten, die seitens der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen worden sind) aufwacht und mehr oder weniger hektische Betriebsamkeit entfacht, kann sich meist die Mühe sparen.
Der Wiener Bürgermeister, selbst wahlkämpfend unterwegs, hat Wahlkämpfe einmal als die Zeit »fokusierter Unintelligenz« bezeichnet. Von der Wahrheit dieses Spruchs kann man sich derzeit auch in Oberösterreich überzeugen.
Zuerst wurde der OÖ-Landeshauptmann Pühringer als möglicher Präsidentschaftskandidat der ÖVP anstelle von Pröll kolportiert. Wer immer von der ÖVP das eingefädelt hat, eine gute Idee war das nicht. Wer wählt schon gern einen Spitzenkandidaten, der sich ein paar Monate danach aus dem Staub in Richtung eines anderen Amtes macht? Da aber die Beliebtheitswerte von Pühringer, wenngleich auch nicht mehr das, was sie einmal waren, die letzte Hoffnung der ÖVP sind, einer totalen Wahlschlappe zu entkommen, hat man jetzt die Notbremse gezogen. Ging die Öffentlichkeit bisher davon aus, daß spätestens in der Mitte der kommenden Legislaturperiode eine Amtsübergabe Pühringers erfolgen würde, so erklärte dieser jetzt, er werde die vollen sechs Jahre im Amt bleiben. Manche sehen das als gefährliche Drohung. Denn der Stillstand in OÖ ist unübersehbar. Die schwarz-grüne Koalition ist fernab von neuen Ideen oder irgendwelchen bemerkenswerten Taten in den letzten zwölf Jahren. Auf Landesebene haben weder Schwarz noch Grün besonders viel vorzuweisen.
Die Arbeitslosigkeit in OÖ stieg seit 2008 um 75 %, in Linz hat sich die Zahl junger Arbeitsloser in den letzten vier Jahren verdoppelt. Zwanzig Prozent der Jugendlichen haben nur Pflichtschulabschluß, zehntausend haben weder Job noch einen Ausbildungsplatz. Noch entstehen in OÖ 27 % der industriellen Wertschöpfung. Bis heute hat Anschober kein Konzept dafür, wie man unbürokratischen Umweltschutz und Industrialisierung mitsamt flotter Betriebsansiedlung unter einen Hut bekommt. Gegen die Jugendarbeitslosigkeit hat man nichts getan, am Breitbandinternet auf dem Land mangelt es ebenso wie an praktischen Ärzten. Das hochstaplerische Projekt der Linzer Medizin-Uni wird an letzterem nichts ändern. (Vor der Errichtung einer neuen UNI hätte man lieber die bestehenden mit besseren Mitteln ausstatten sollen. Aber wie immer: Hauptsache, das Geld wird hier ausgegeben und nicht woanders!)
Dafür haben die Schwarzen ihre alte Klientel-Politik munter fortgesetzt, die Grünen dem ziemlich tatenlos zugeschaut. Wenn die Schwarzen etwas von »Objektivierung der Postenvergabe« murmelten, haben die Grünen brav zugestimmt. Ergebnis in den meisten Fällen: ein Roter ging, ein Schwarzer kam. Objektivierung sieht anders aus. Die teilweise überbordende Subventionspolitik wurde teils fortgesetzt, teils absurd ausgebaut. Dafür wurde bei der Transparenz gespart. Wer sich einen Überblick über die Empfänger der Subventionen verschaffen will, steht vor großen Hürden. Für den Laien ist auch oft gar nicht erkennbar, hinter welchen Namen sich die verschiedenen Geld kassierenden Vorfeldorganisationen der Parteien verstecken. Kein Wunder, daß OÖ die höchste Parteienfinanzierung aller Bundesländer hat. Nicht weniger schlimmer ist der Einblick in den Bereich jener Subventionen, die nicht den Parteien zugute kommen. Wer herausfinden will, wie viele Millionen etwa in Richtung Stern & Hafferl fließen (um mal ein Gmundner Thema zu nennen), scheitert auf allen (Zug- und Bus-)Linien. Was ÖVP und Grüne auf Landesebene eint, ist der Wunsch, auf dem jeweiligen Sesserl kleben zu bleiben. Wahrscheinlich haben der Pühringer und der Anschober eine Einkaufsgemeinschaft für Alleskleber gebildet. Da gibt es dann Mengenrabatt beim Klebstoff-Einkauf. Wobei der Anschober nicht nur am Sessel, sondern auch an der ÖVP klebt.
Daß Pühringer sich alle Optionen offen hält, ist logisch. Derzeit ist völlig unklar, ob die Grünen wieder in die Landesregierung kommen. Die sind zwar, wie die letzten zwölf Jahre zeigen, der mit Abstand billigste Koalitionspartner. Die SPÖ ist ein wenig teurer, nicht viel, aber doch. Pühringer ist politisch ja durchaus ein Sparmeister, wenn es darum geht, Posten und Pöstchen mit Nicht-Schwarzen zu besetzen. Die FPÖ wäre wohl besonders teuer. Vor allem weil sie nach derzeitigem Erkenntnisstand deutlich zulegen wird. Im Wahlkampf sieht man von ihr derzeit nicht viel. Wozu auch? Bis diese Woche war die richtige Devise zur Stimmenmaximierung: abwarten und nichts tun. Den Rest erledigen die anderen Parteien und die Bundesregierung. Man konnte darauf vertrauen, von jenem Flüchtlings-Desaster zu profitieren, das die Regierung geradezu generalstabsmäßig herbeigeführt hat. Ob diese bequeme Situation nach dem Drama der Vorwoche so bleibt, wird sich zeigen. Ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung ist nicht auszuschließen. Kurzfristig gibt es den, ob er bis zum Wahltag hält, kann niemand sagen.
Inhaltlich haben Schwarz und Grün bisher ebensowenig gezeigt, wie die Blauen. Die Roten haben es dafür diese Woche mit einer Schiffahrt am Traunsee als Wahlkampfauftakt versucht. Die Begeisterung in den Medien hielt sich in Grenzen, vorsichtig formuliert. Die SPÖ wollte eine intensive Woche des Wahlbeginns durchziehen. Wie man auf den unglückseligen Titel »Fünf Tage für Oberösterreich« verfiel, bleibt mir ein Rätsel. So ein Sager ist ein aufgelegter Elfer für diverse Witze der anderen Parteien. Nach dem Motto: Und was macht die SPÖ an den anderen 360 Tagen im Jahr? Auch die ABC-Parole (ABC-Plan), auf die man die drei Hauptanliegen eindampfen wollte, erinnert eher an die entsprechende Abkürzung für verbotene Massenvernichtungswaffen. Die Erklärung der drei Buchstaben ist abstrusestes Marketinggequassel, das kein Mensch sich merken kann und will. (»A wie gute Arbeit und Ausbildung, B wie leistbare Bleibe, C wie faires Cash.«)
Die Lage der SPÖ wird immer hoffnungsloser. Man hat den Eindruck, die Partei ist stehend k. o. Besonders erschreckend ist die Art, wie Medien und Online-Poster auf die Auftaktveranstaltung reagierten. Nicht mit Kritik, sondern nur noch mit Spott. Kaum eine Zeitung verzichtete darauf, ihren Bericht mit Worten der Art »SPÖ geht aufs Schiff, bevor sie baden geht« zu beginnen. Noch schlimmer waren die Postings. Nicht die üblichen Kampfposter der ÖVP oder der Blauen tobten sich da aus, indem sie die Ideen der SPÖ in Grund und Boden kritisierten. Keine Spur davon. Dafür jede Menge normale Leser, vorwiegend offenbar ehemalige SP-Sympathisanten, von denen die SPÖ mit Hohn übergossen wurde. Einige Beispiele aus den Postings im Standard:
»ABC erinnert an Ballermann Gegröle wie „Un, Dos, Tres und alle Arme in die Höhe!!!“ Was für ein Armutszeugnis.« »schippern allein wird da nicht reichen…;-)« »Entholzer & Co. schaffen es vermutlich sogar auf dem Traunsee und im Hochsommer, den Dampfer irgendwie gegen einen Eisberg zu fahren…« »Die Titanic sinkt in Panik ganz allanig/So ein Kasperl …« »frage eines journalisten an entholzer: „wie schreibt man ABC?“«
»Poseidon?? Titanic warad wohl passender!«
»Nach mehrjähriger Untätigkeit taucht ein unangenehmer Zeitgenosse wieder auf: der Stimmviehzähler und Zeremonienmeister für gehobene Volksverarschung. Diesmal auf einem alten Dampfer.«
Die SPÖ in dieser Verfassung ist den Leuten nicht einmal mehr ein Wort der Kritik wert. Man macht sich nur noch lustig. Wenn Entholzer dann noch mindestens 25 % als Wahlziel angibt, nimmt das niemand mehr Ernst. Gerüchte, in der Landesparteizentrale der SPÖ würde seit Wochen nur noch Schifferl versenken gespielt, entbehren natürlich jeder Grundlage. Das würde nämlich ein Mindestmaß an Selbstreflexion in den »Führungs«etagen voraussetzen.
Dafür bejammert die FPÖ die guten Umfragedaten. Das sei Manipulation, wird kritisiert. Man hat scheinbar Angst, daß die eigene Wählerschaft der Wahl fernbleibt, wenn die Sache ohnehin bereits gelaufen ist. Die Angst ist berechtigt. Vor allem läuft die FPÖ Gefahr, bei einem Nichterreichen der Umfragedaten von den eigentlichen Wahlverlierern (ÖVP und SPÖ) selbst zum Wahlverlierer erklärt zu werden. Man kennt diese dummen Tricks längst aus anderen Wahlkämpfen: man habe zwar zehn Prozent verloren, aber fünfzehn seien vorhergesagt gewesen, man habe also enorm aufgeholt. Bzw.: die haben statt zehn nur sieben Prozent dazugewonnen, was für eine Niederlage! Auf die Umdeutungen der Wahlergebnisse am Abend des Wahlsonntags darf man schon jetzt gespannt sein.
Daß es auch anders und besser geht, zeigten diese Woche die Gmundner Grünen. Mit pfiffigen Ideen kann man auffallen und die Aufmerksamkeit der Leute gewinnen. Mit der Pappfigur ihres Spitzenkandidaten Josef Sperrer gelang es, ihn in kürzester Zeit bekannt zu machen. Dazu ein Werbevideo, das eine gute Balance aus Selbstdarstellung der Grünen mitsamt ihrer Positionen sowie einem ironischen Augenzwinkern bietet. Man darf davon ausgehen, daß der Pappendeckel-Sperrer so manche Gartenparty im Spätsommer zieren wird – die Grünen sollten sie an Interessierte verleihen. Und gut aufpassen, daß die Figur nicht in Kürze »ausgestohlen« ist. Jedenfalls ist es so gelungen, in kürzester Zeit eine Kultfigur zu schaffen: Josef, der Imker, im Kampf für ein besseres Gmunden, an seiner Seite die Bienen, die ihren Stachel gegen Korruption zücken. Die Grünen haben ihren Spitzenkandidaten damit in eine gute Position für den Kampf um den Bürgermeistersessel in Gmunden gebracht. Da ist noch viel Phantasie drin.
Natürlich profitieren die Grünen bei der Bürgermeisterfrage auch vom Verzicht der BIG, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Ich halte das für einen schweren taktischen Fehler der BIG. Auch wenn diese glaubhaft beteuert, ihr Spitzenkandidat könne aus beruflichen Gründen das BM-Amt nicht ausüben, also wäre es gegenüber den Wählern unfair, dafür zu kandidieren. Die gleiche Frage stellt sich letztlich auch bei der angestrebten Position des Verkehrsstadtrates, die durchaus im Bereich der Erreichbaren liegt (zumindest ein Stadtrat ist »drin«, die Frage ist allerdings, ob die anderen Parteien der BIG den Verkehrsstadtrat zusprechen). Angesichts der anstehenden Probleme auch nicht gerade eine Nebenbeschäftigung, wenn die BIG wirklich dafür sorgen will, das Regio-Konzept doch noch zu kippen. Außerdem begab man sich der Möglichkeit, bei der Runde der BM-Kandidaten im Stadttheater (übertragen vom ORF-Radio) mitzumischen und die eigenen Positionen darzustellen. Insbesondere in Hinblick auf die Regio-Gegner überläßt man dieses Themenfeld damit im Rahmen dieser Diskussion der FPÖ.
Die ÖVP kommt, wie es aussieht, schwer ins Trudeln. Den in der Bevölkerung unbeliebten und mit schlechtem Image belasteten Sigi John nach der Wahl zum Fraktionschef machen zu wollen, ist kein sehr gutes Signal der Änderung. Der Mann ist seit den 1990ern in der Kommunalpolitik, war bei den Grünen und irrlichtert, nach einem Fehlversuch bei der SPÖ anzulanden, nun im Machtvakuum der ÖVP herum. Viele zweifeln daran, daß John das Format hat, in den kommenden, schwierigen Jahren das Schiff der ÖVP-Mandatare auf einem für Gmunden guten Kurs zu bringen. Mit seiner Luftblase in Sachen Toskana-Hotel hat er die Schar der Skeptiker inner- und außerhalb der ÖVP deutlich vermehrt. Da hat John sich eher als Asamer auf kleinerer Stufenleiter betätigt, denn als jemand, der neue Ideen einbringt. Ob das Lächeln von Krapf das und die im Hintergrund noch immer lauernden alten Seilschaften überstrahlen kann, ist die große Frage.
Zu den Chancen der Gmundner SPÖ habe ich mich bereits in der Vorwoche geäußert. Neues kann man erst sagen, wenn der Wahlkampf der SPÖ startet. Bisher war nicht viel zu sehen. Wenn man davon ausgeht, daß weder vom Land noch vom Bund viel Rückenwind zu erwarten ist, daß die Stadt-SP meist unter der Landes-SP abgeschnitten hat, dann wird es wahrscheinlich an der BIG und den Grünen liegen, die Vorherrschaft der ÖVP zu brechen. Die FPÖ ist derzeit diesbezüglich schwer einzuschätzen. Zugewinne sind ziemlich sicher zu erwarten. Unklar ist aber, wie weit die FPÖ bereit ist, gemeinsam mit den anderen Gruppierungen die Vormacht der ÖVP zu beenden. Die FPÖ wird in Gmunden sehr deutlich sagen müssen, wie sie sich das Verhältnis zur ÖVP vorstellt. Viele befürchten, daß die FPÖ sich in Gmunden lieber mit der ÖVP arrangiert. Da sind klare und glaubhafte Worte gefragt.
Aus heutiger Sicht ist auch in Gmunden mit einem Wahlsonntag der Überraschungen zu rechnen. Da werden eine Menge Steine nicht auf ihrem Platz bleiben.
Hier zwei Bilder des grünen BM-Kandidaten Josef Sperrer mit Doppelgänger aus Pappe, der nicht von Pappe ist:
Sind die ersten Stufen auf dem Weg zum Amtssitz des Bürgermeisters erklommen?
Hier der Link zu einem Video der Gmundner Grünen:
http://salzi.tv/video/Gmundner-Gruene-gestalten-Gmunden-besser/f4fc6d9e2814670caf39d2c63e77a4d4
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