Heute:
Babsy macht ein paar Anmerkungen
Gastkommentar von Michael Amon über Elitenversagen
Liebe Leserleins!
Immer klarer wird es, dass die ÖVP sich mit der FPÖ auf ein Packl hauen wird. Wie wir hier schon vermutet haben, wird man das Konstrukt nicht „Koalition“ nennen, sondern von einem Arbeitsübereinkommen reden. Die spannende Frage: bekommt die ÖVP ihre vier Landesräte und wie wird die FP das dann argumentieren? Bisher war ihre Linie ja: vier LR sind undemokratisch, 3 VP, 3 FP, 2 SP und 1 G würden das Wahlergebnis besser abbilden. Die VP wird ihre vier LR wahrscheinlich halten, die argumentative Volte der FP wird waghalsig. Aber ohnehin egal, es wird erst in sechs Jahren wieder gewählt. Welch ein Irrsinn!
In der SP gibt es jetzt ein „Opfer“: den einen der beiden Landesgeschäftsführer. Ja, der Entholzer hat einen echten Betonhintern. Mal sehen, unter welchen Bedingungen auch dieses Betonhinterteil so deutliche Sprünge gekommt, dass es nicht mehr reicht fürs Auf-dem-Sesserl-Hocken-bleiben.
Dass Rudi-Koalitionslos-Anschober jetzt mit dem dümmlichen Schlagwort „Koalition der Menschlichkeit“ versucht, eine Regierungsbeteiligung für sich selbst zu retten, ist nur noch zum Genieren. Aber Genierer, das ist der Politik heute irgend wie wesensfremd. Kleiner Tipp für Rudi Ratlos: mehr arbeiten, bessere Projekte umsetzen, keine vermeintlich grünen Hobbys reiten, Kochbuchschreiben anderen überlassen und dann am Ende der Legislaturperiode es einmal mit einem inhaltlichen Wahlkampf probieren. Dann könnten vielleicht auch die grünen Wählerleins zurückfinden. Ist aber nur so ein Tipp.
Dann wünscht Ihre Babsy Ihnen noch einen schönen Sonntag und eine interessante Lektüre der Gedanken von Michael Amon zum Thema „Elitenversagen“.
Babsy Blitzschnell f. d. Team Gmundl
Elitenversagen
Gastkommentar von Michael Amon
Wie nennt man das, wenn ein ehemaliger Nationalbankchef in einem Untersuchungsausschuß zugibt, Berichte über die Schieflage einer systemrelevanten Bank (der Hypo-Alpe) nicht gelesen zu haben? Nicht aus Desinteresse, sondern weil er nicht im Verteiler gestanden hat. Man darf vermuten: nicht im Verteiler stehen wollte.
Nun? Man nennt das Elitenversagen!
Ein Bundeskanzler, der sich an Gespräche über eben die Hypo-Schieflage nicht in allen Details erinnern zu können meint. Außerdem sei er damals EU-Ratspräsident gewesen und habe Wichtigeres zu tun gehabt. Wichtigeres als die Österreicher vor einem Milliarden-Euro-Schaden zu bewahren? Den Schüssel sein »Gmiat« müßte man haben. Hauptsache, er erinnert sich daran, mit »Doktor Schüssel« angeredet werden zu wollen, und nicht wie ein normaler Plebejer als »Herr Schüssel«. Schauen heute so unsere angeblichen Eliten aus?
Ungefähr 25 Banken haben weltweit Kreditnehmer und Sparer systematisch betrogen, indem der LIBOR (eine wichtige Grundlage für die Berechnung von Zinsen zwischen Bank und Kunden) gezielt manipuliert wurde. Schadenshöhe unbekannt und wohl auch nicht zu ermitteln. Man hat nicht gehört, daß allzuviele Verantwortliche zur Verantwortung gezogen worden wären. Geldeliten, die uns alle aussackeln. Das Wort Elite bekommt so einen merkwürdigen Geruch.
Angeblich dreißig Manager von VW waren in die systematische Fälschung der Abgaswerte und damit in Gesetzesbruch und Betrug verwickelt (VW dementiert diese Zahl, es werden wohl eher mehr als weniger gewesen sein). Der damals endverantwortliche Technikchef, inzwischen Vorsitzender des Gesamtvorstands, zieht sich unter Mitnahme von 60 Millionen Euro aus seinen Funktionen zurück. Ein geradezu skandalöses Elitenversagen. Hier haben Aufsichtsräte sich auf Gegenseitigkeit (bei VW ist man Aufsichtsrat, anderswo Vorstand, dafür sind VW-Vorstände anderswo im Aufsichtsrat) unsittlich hohe Summen zugeschanzt. Kein Mensch leistet so viel, daß derartige Gehaltsunterschiede gerechtfertigt sind. Volkswagen macht pro verkauftem Auto im Durchschnitt einen Gewinn von 629 Euro (2013) vor Steuern und Zinsen. Die fressen noch einmal ca. 250 Euro. Der Konzern muß also von seinen Massenwägen fast 160.000 Stück verkaufen, nur um diese kleine Apanage ihres geschaßten Vorsitzenden zu verdienen. Eine Geldelite, die jedes Maß verloren hat. Ein durchschnittlicher Arbeiter bei VW muß für diesen Betrag ungefähr 1.000 (in Worten: tausend) Jahre arbeiten.
Es ist nicht gut zu heißen, aber angesichts solch skandalöser Einkommensunterschiede gepaart mit allumfassender Inkompetenz wundert man sich nicht mehr, wenn bei Air France zwei Vorstandsmitglieder sich vor erbosten Mitarbeiter des Bordpersonals in Sicherheit bringen mußten, die versuchten, diese Chefs der Kleider zu berauben. Symbolwert hat es allemal: die Könige sind nackt.
Auch was wir derzeit europaweit in der Flüchtlingsfrage erleben, ist ein totales Versagen jener vermeintlichen Eliten, die angeblich die Regierungsgeschäfte besorgen. Die Bandbreite reicht vom zynisch agierenden Herrn Orbán bis zur naiv-fahrlässigen Frau Merkel. Wo ist in der Politik die Stimme der Vernunft, die sich zwischen paranoidem Fremdenhaß und naiver Willkommens-Kultur positioniert? Natürlich weiß niemand wirklich eine Lösung, schon gar keine schnelle, weil es das nicht gibt. Auch die neueste Idee, die britischen und französischen Berufsheere im Syrienkrieg militärisch intervenieren zu lassen, ist keine Lösung. Das haben schon die militärisch wesentlich besser aufgestellten Amerikaner im Irak und in Afghanistan bewiesen. In Syrien (und im arabischen Raum ganz allgemein) geht es ja nicht darum, eine Armee zu besiegen, sondern in einen Bürgerkrieg einzusteigen, der keine klaren Fronten hat. Im Zweiten Weltkrieg gab es eine eindeutige Interessenslage: alle gegen Hitler-Deutschland. Es war klar, wer der Feind ist, und wo er steht. Beides ist im arabischen Raum nicht gegeben. Iran, Irak, Saudi-Arabien, Syrien, Israel, Jordanien, dazu die »Außen«mächte Europa, Rußland und USA – es gibt keine einheitliche Gegnerschaft gegen die IS und gegen diverse mehr oder weniger islamistisch geprägte Rebellengruppen in den failed states. Jetzt fordert Bayern schon die Errichtung von Grenzzäunen zu Österreich. Gehts noch absurder? Stacheldrahtproduzent müßte man sein in diesen Tagen …
Wir erleben weltweit wieder einmal eine Krise derer, die sich fälschlicherweise für Eliten halten und sich die Macht angeeignet haben. An den Außengrenzen der EU sterben nicht nur Flüchtlinge, es stirbt auch die Idee eines Staatenbundes von Europa, da dieser Staatenbund nichteinmal in der Lage (oder willens) ist, seine Außengrenzen demokratisch, menschlich und trotzdem wirksam als solche zu behaupten.
Nur wenige der »Eliten« sind demokratisch legitimiert. Die Politik hat zugelassen, daß große Konzerne die Regeln setzen. Wir erleben es soeben bei den Verhandlungen rund um TTIP und Konsorten. Der Rechtsstaat wird ausgehebelt, die politischen »Eliten« in der EU sind Handlanger ihrer Selbstentmachtung durch Konzerne. Das Gebilde EU hat sich derart weit von demokratischen Grundsätzen entfernt, daß niemand weiß, wie man diese Entfernung wieder auf ein erträgliches Maß reduzieren könnte (an eine völlige Behebung der Demokratiedefizite – eine verbale Untertreibung! – glauben ohnehin nur Träumer).
Es ist bemerkenswert und stellt der Gattung homo sapiens kein gutes Zeugnis aus, daß sich, historisch betrachtet, die vermeintlichen Eliten an den großen Wendepunkten der Geschichte fast immer als wenig »elitenhaft« erwiesen haben. Man denke nur an das Versagen gegenüber dem Nationalsozialismus, an dem praktisch fast die gesamte deutsche, nichtjüdische Intelligenz beteiligt war.
Elitenversagen scheint ein durchgehendes Merkmal der Menschheitsgeschichte zu sein. Angesichts der anstehenden Probleme kann man nur konstatieren, daß die Hoffnung leider nicht zuletzt stirbt, sondern deutlich früher, und man hofft doch, sich wenigstens in diesem Punkt zu irren.
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