Heute:
Babsy Blitzschnell fasst sich kurz
GK Michael Amon „Nizza, die Türkei und Europa“
GK Wurzbeth Wurzinger „Amtshilfe in Altmünster“
Liebe Leserleins!
Ich fasse mich kurz: wir wissen noch immer nicht genau, wie der Attentäter von Nizza „funktioniert“ hat. Und genauso wenig wissen wir, was die wirklichen Hintergründe des Putschversuchs in der Türkei sind. Beides werden wir wohl in absehbarer Zeit nicht erfahren. Worüber wir aber jetzt schon sprechen können, das sind die Folgen dieser beiden Ereignisse. Michael Amon war so freundlich und hat sich exklusiv für uns darüber ein paar Gedanken gemacht. Nicht alles an Amons Folgerungen wird uns schmecken. Auch wenn die skizzierten Folgen vermutlich unvermeidbar sind.
Babsy Blitzschnell f. d. Team Gmundl
PS.: Keine Sorge. Die Regio mitsamt Zusatzvereinbarung ist nicht aus unserem Blickfeld verschwunden. Wir haben aber aus Aktualitätsgründen ein wenig umdisponiert. Diese Woche kommt noch was, versprochen!
Nizza, die Türkei und Europa
Gastkommentar von Michael Amon
Das Attentat in Nizza und der Putschversuch in der Türkei haben mehr miteinander zu tun, als man auf den ersten Blick glauben würde. Insbesondere die Auswirkungen dieser beiden Ereignisse werden ganz Europa in den nächsten Jahren beschäftigen.
Ganz unabhängig von der Frage, ob es sich in Nizza nun um einen psychopathischen Einzelgänger gehandelt hat, der mit dem Ticket des IS unterwegs war, oder ob es sich vielleicht doch um einen vom IS direkt initiierten Anschlag gehandelt hat: Frankreich hat ein massives Problem, dessen Wurzeln in seiner kolonialistischen Vergangenheit liegen, die bis heute weder aufgearbeitet noch bewältigt worden ist. Die Grande Nation, die sich so stolz »Liberté, Ègalité, Fraternité« auf die Fahnen schreibt, hat sich, was diese drei republikanischen Ideale betrifft, gegenüber ihren Zuwanderern schwer versündigt. Viele von ihnen fühlen sich – durchaus mit Recht – als Menschen zweiter Klasse. Zwar kann man es auch als nordafrikanischer Franzose zu etwas bringen, aber Aufwand und Mühe sind ungleich größer, die Erfolgswahrscheinlichkeit massiv geringer. Die Banlieues der französischen Städte zeugen von diesem Problem. In diesen Banlieues, egal ob in Paris, Nizza oder Marseille, hat sich ein riesiges Subproletariat gebildet: Armut, Kleinkriminalität, Aussichtslosigkeit. Ein ideales Rekrutierungsfeld für Islamisten.
Wie die Erfahrungen der letzten beiden Jahre zeigen, braucht es nicht viel, um Leute aus diesem Milieu für den IS »heiß« zu machen. Offenbar ist für Menschen mit entsprechender Innenausstattung der Tod im Djihad eine verlockende Perspektive gegenüber einem Leben als Underdog am äußersten Rand der französischen Gesellschaft. Man spricht von fast 9.000 Personen, die in den Unterlagen der französischen Behörden als entsprechend gefährdet geführt werden. Dazu kommt die Dunkelziffer und all jene, die – wie der Attentäter von Nizza – vorher nie durch religiöse »Neigungen« aufgefallen sind, und offenbar in sehr, sehr kurzer Zeit umgedreht werden können.
Daraus folgt, daß ganz Europa nach der Flüchtlingswelle des Vorjahres (und angesichts dessen, was noch kommen kann) ein riesiges Problem hat. Es kann wie in Frankreich zwanzig oder dreißig Jahre dauern, bis dieses Problem virulent und offensichtlich wird. Wenn es nämlich nicht gelingt, den zugewanderten Menschen aus dem arabischen Raum eine Zukunftsperspektive zu geben, werden wir in einigen Jahrzehnten in ganz Europa Banlieues haben. Um das zu verhindern, müßte Europa, konkret die EU, endlich ernsthafte Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit ergreifen. Sie muß das Problem der »einheimischen« Arbeitslosen lösen, das der großen Jugendarbeitslosigkeit. Und dann ist dafür zu sorgen, daß auch die Flüchtlinge, von denen mit Sicherheit eine große Zahl nicht in ihre Heimat zurückkehren wird, entsprechende Arbeitsplätze finden und ihnen Chancen auf eine bessere Zukunft eröffnet werden. Von beidem kann derzeit in Europa keine Rede sein – auch nicht für EU-Bürger. Im Gegenteil: die Mittelklasse fühlt sich bedroht, ist mit Abstiegsängsten und extremer Unsicherheit konfrontiert.
Nun hat man aber seitens der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise voll auf die Türkei gesetzt. Das war schon immer Wahnsinn ohne Methode, denn Erdoğan ist ein höchst dubioser Partner. Das wußte man, und man hat trotzdem alles auf diese Karte gesetzt. Nach dem Putschversuch ist offensichtlich geworden, wie instabil die türkische Gesellschaft in Wahrheit ist, und wie wenig europäische Werte dort gelten. Selbst die Wiedereinführung der Todesstrafe wird nun erwogen – was, so das umgesetzt wird, einen sofortigen Stop aller Beitrittsverhandlungen mit der EU nach sich ziehen müßte.
Daß Erdoğan alles Mögliche ist, nur nicht der Retter der schwach ausgeprägten türkischen Demokratie, muß nun auch dem letzten Naivling dämmern. Es ist zwar höchst unwahrscheinlich, daß Erdoğan den Putsch selbst inszeniert hat. Denkbar wäre allerdings, daß man von den Plänen durch eingeschleuste Spitzel wußte, und sich entsprechend darauf vorbereitet hat. Sicher aber ist, daß das Erdoğan-Regime längst an der Eliminierung aller Gegner und Nicht-Parteigänger aus dem Staatsapparat gearbeitet hat. Anders ist es nicht möglich, innerhalb weniger Stunden nach dem Putsch bereits rund 3.000 Richter und Staatsanwälte des Amtes zu entheben und rund 6.000 Militärs zu verhaften. Das war von langer Hand vorbereitet und sollte wohl irgendwann im Rahmen der Umsetzung der Präsidialdiktatur Erdoğans realisiert werden. Ein Putsch von oben, um ein islamo-faschistisches Regime unter Erdoğans Führung zu etablieren, war offensichtlich längst geplant. In diesem Sinne war der doch recht dilettantische Putschversuch eines Teils des Militärs tatsächlich ein »Gottesgeschenk« für Erdoğan, auch wenn man als aufgeklärter Europäer eher nicht an die unsichtbar lenkende Hand eines Gottes glaubt, der doch eine recht merkwürdige Erscheinung sein müßte, wollte er tatsächlich Erdoğan reich beschenken.
„Sag es, und wir töten!“, skandieren die von Erdoğan aufgeputschten AKP-Massen. Das ist eine lupenreine, neue Spielart des Faschismus. Massenterror gegen Andersgesinnte.
Genau diesem Erdoğan also hat die EU sich ausgeliefert. Entsprechend peinlich auch die Wortmeldungen von EU-Politikern bis hin zu Frau Merkel während der Putsch noch im Gang war. Inzwischen rudert man wieder behende zurück und richtet mahnende Worte an Erdoğan. Genauso gut könnte man dem Fuchs befehlen, keine Hühner mehr zu stehlen. Auch die NATO, der sich Österreich, wenn auch höchst verdruckst, annähert, hat ein Problem. Die Türkei mit der zweitgrößten NATO-Truppenstärke muß eigentlich die offene Südost-Flanke schützen. Das wird auf Dauer nicht gut gehen.
Die österreichische Bevölkerung wird in dieser Frage seit dem EU-Beitritt systematisch angelogen. Denn längst ist die Neutralität das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Die Aktivitäten des Verteidigungsministers Doskozil zeigen das deutlich. Ob es einem gefällt oder nicht: die Zukunft Europas wird in einem gemeinsamen Verteidigungssystem liegen. Und das wird im Rahmen der NATO organisiert werden. Erst dann kann Europa seine Geschicke halbwegs selbst in die Hand nehmen.
Auch wenn es mir persönlich überhaupt nicht gefällt: angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Afrika, der Auseinandersetzung innerhalb des Islams und der sich abzeichnenden Klimakatastrophe wird es zu Völkerwanderungen ungeahnten Ausmaßes kommen. Diese Ströme werden nicht nur nicht zu bewältigen sein, die Bürger Europas werden auch keine Bereitschaft zeigen, diese Ströme bewältigen zu wollen. Die Antwort darauf kann, ob wir wollen oder nicht, wohl nur in der bitteren Antwort einer »Festung Europa« liegen. Es wird Zeit, uns an diesen ungemütlichen Gedanken zu gewöhnen. Vorher aber müssen wir endlich Arbeitslosigkeit für alle jene beseitigen, die heute schon in Europa leben. Ihnen allen eine Perspektive eröffnen. Eine Festung Europa, die von Banlieues durchzogen ist, wird nämlich schon gar nicht funktionieren.
Amtshilfe in Altmünster
Gastkommentar von Wurzbeth Wurzinger
Vor ein paar Tagen fand ich die aktuelle Altmünster GemeindeINFO in meinen Briefkasten. Optisch ansprechend und informativ.
Etwas irritiert hat mich die Überschrift „NEUTRAL“ der Doppelseite, die den politischen Fraktionen vorbehalten ist. Ist der Rest des Blattes nicht neutral? Oder haben sich die Parteien zur politischen Neutralität (Oxymoron?) verpflichtet? Oder sollen sich die vorgebrachten Argumente der Fraktionen gar gegenseitig neutralisieren?
Der GemeindeINFO war auch eine Bürgerbefragung u. a. zum Thema „Bürgerservicestelle“ beigelegt. Weder in der GemeindeINFO noch im Fragebogen erfährt man, was denn eine Bürgerservicestelle sei.
Würde die Befragung nicht wissenschaftlich von der FH Linz begleitet, könnte man zum Schluss kommen, die Fragen an die Bürgerleins seien suggestiv und manipulativ.
Im Zuge einer Amtshilfe sollten sich die Gmundner jedenfalls für die anstehende Esplanade- Bürgerbeteiligung den Kontakt zur FH sichern,
meint Ihre
Wurzbeth Wurzinger
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