Heute:
GK von Michael Amon „Wo Schwammerln in den Himmel wachsen“
Liebe Leserschaft!
Das Echo ist enorm. Das Echo auf die Tatsache, dass der renommierte Gmundner Autor Michael Amon, gern gesehener Gastkommentator bei STANDARD und PRESSE, in der Wahlwoche bei uns kommentiert. Die Zugriffe sind entsprechend. Dafür danken wir Herrn Amon UND unseren treuen Lesern. Es gibt uns Mut, demnächst das neue Konzept für den „gmundl“ vorzustellen.
Charlie Chip f. d. Team Gmundl
HInweis: morgen bringen wir einen Beitrag von Ing. Hausherr, der dafür plädiert, Kurz eine Chance zu geben.
Wo die Schwammerln in den Himmel wachsen
Gastkommentar von Michael Amon
Der Feuchtigkeit der Jahreszeit entsprechend schießen derzeit die Schwammerln aus dem Boden. Auch in der Politik. Für viele frustrierte Grün- und SPÖ-Wähler hat sich aufeinmal eine Alternative aufgetan zum Nicht- oder Ungültigwählen. (Die NEOS sind für diese Gruppe keine Alternative wegen des von dieser Gruppierung vertretenen krassen Neoliberalismus.)
Nun hatte der Innenminister Sobotka einen Autounfall. Bei dem gab es zwei Schwerverletzte. Wie nun der Chefaufdecker des österreichischen Parlaments, Peter Pilz, wissen ließ, handelte es sich bei der in Frage stehenden Fahrt um eine Wahlkampfreise, keineswegs jedoch um eine Dienstfahrt. Und: „Die Cobra ist keine Wahlkampfschutzeinheit für einen wahlkämpfenden ÖVP-Spitzenkandidaten aus Niederösterreich“, sagte Pilz, „Da gibt es einfach ein fehlendes Bewusstsein darüber, was gehört der Partei und was gehört der Republik.“
Die teure Bewachung von Sobotka mag man goutieren oder auch nicht. Interessant ist weniger die Tatsache also solche, denn ein Innenminister hat aufgrund der Gefahreneinschätzung grundsätzlich Anspruch auf umfassenden Personenschutz, d. h. 24h-Schutz. Es ist wohl nicht von einer mißbräuchlichen Verwendung der Cobra-Kräfte auszugehen. Sie würden Sobotka auch bei Privatfahrten zustehen. Interessant und komisch ist – angesicht dieser Einschätzung – jedoch die recht merkwürdige Reaktion von Sobotka und seiner Truppe. Scheinbar haben Berufspolitiker die Tatsache, daß sie sich mitunter Rechte herausnehmen, die ihnen eigentlich nicht zustehen, schon so verinnerlicht, daß sie sich auch dann ertappt fühlen, wenn da nichts oder nicht viel ist.
Sobotka erklärte, er sei „natürlich“ dienstlich unterwegs gewesen. Was nachweislich nicht stimmt: laut Dienstplan des Innenministeriums fuhr er von einer Feier des Bürgermeisters von Deutschgriffen zum Wiesenfest in St. Veit. Also mit Sicherheit ein Wahlkampffahrt.
Dann ließ sich Sobotka noch dazu hinreissen, Pilz vorzuwerfen, er „brauche halt Aufmerksamkeit“. Na gut und nona, welcher Wahlwerber braucht die nicht in diesen Tagen! Pilz dann aber als „kleinen Silberstein“ zu bezeichnen, fällt dann irgendwie doch schon unter jenes dirty campaigning, das von der ÖVP seit Wochen (und teilweise zurecht) beklagt wurde. Eine m. E. unwürdige und völlig überflüssige Äußerung.
Den Vogel jedoch schoß Sobotkas Kabinettschef Kloibmüller ab, der allen Ernstes Folgendes von sich gab: „Der Vorwurf, es habe sich um Wahlkampf gehandelt ist alleine deshalb schon absurd, weil Wolfgang Sobotka Spitzenkandidat in Niederösterreich ist.“
Also wenn ich das richtig verstanden habe, dann meint Kloibmüller, die Tatsache, daß jemand Spitzenkandidat sei, schließe die Teilnahme am Wahlkampf aus. Nun gut, es ist eine verkehrte Welt, keine Frage. Das beweist die ÖVP derzeit jeden Tag mit der Behauptung, sie sei völlig „neu“ und dafür auch gleich wie ein Chamäleon die Farbe gewechselt hat. Aber Spitzenkandidaten, die nicht am Wahlkampf teilnehmen, gibt es nur beim Dühringer seiner Kasperltruppe. Dort dafür richtig wirklich.
Fürchtet sich da wer vor Pilz und seinen Schwammerln? Sucht jede Gelegenheit, um den Wählern das Pilzragout madig zu machen? Denn eines scheint klar: den Umfragen, die derzeit veröffentlich werden, darf man ungefähr soviel glauben wie der Zeitung ÖSTERREICH oder einem Horoskop in der Krone.
Eigentlich müssen alle Demokraten froh sein, wenn einer wie Pilz es wieder ins Parlament schafft. Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten die meiste und effektivste Aufklärungsarbeit geleistet? Auch wenn er manchmal weh tut, so einen brauchen wir.
Die Schwammerln der Aufklärung mögen sprießen, auch wenn manchmal was schief gehen sollte. Immerhin zeigte sich das interessante Phänomen, daß Politiker sich scheinbar auch dann auf frischer Tat ertappt fühlen, wenn sie gar nichts angestellt haben. Was ja auch was aussagt!
Nachbemerkung zum Thema Antisemitismus:
Die dauernde wechselseitige Beschuldigung, antisemitisch zu sein, ist inzwischen unerträglich. Weder Kurz noch Pilz haben damit etwas am Hut. Erklärungsbedarf hat da lediglich die SPÖ, die es zumindest zuließ, daß Silberstein mit solchen Topoi agierte. (Was die SPÖ noch nicht zu einem antisemitischen Haufen macht, aber die moralische Integrität mancher ihrer Protagonisten in Frage stellt.)
Kommentar verfassen