Liebe Mitmenschen!
Heute der versprochene Gastkommentar von Michael Amon aus Anlass der neuesten Entwicklung rund um die Hypo-Alpe-Adria. Er stellt die Frage, was politische Verantwortung in diesem Zusammenhang bedeutend kann oder soll. Und er zieht den Bogen weiter: was sieht es damit auf lokaler oder auf Landesebene aus?
Wir wünschen eine interessante Lektüre. Montag geht es dann weiter mit ein paar Fragen rund um die RegioTram.
Einen wunderschönen Zweiten Advent wünschen
Bruno Beinhart und das Team Gmundl
(und dass unsere Leserleins am 8. 12. dem Konsumwahn ein wenig entsagen und sich darauf besinnen, was Weihnachten und insbesondere die Adventzeit davor eigentlich bedeuten. Wir wünschen also auch ein wenig Einkehr und Besinnlichkeit.)
Kollektive Verantwortungslosigkeit
Ein Gastkommentar von Michael Amon
Wenn ich gefragt werde, was ich derzeit für die beste Charakterisierung der politischen Szene in Österreich halte, dann antworte ich seit einiger Zeit: die kollektive Verantwortungslosigkeit der handelnden Akteure auf allen Ebenen.
Die Hypo-Alpe-Adria-Affaire zeigt ein weiteres Mal, daß diese Einschätzung berechtigt ist. Auch wenn der Bericht selbst eine löbliche Ausnahme ist. Auch ich habe hier – wie die meisten politischen Beobachter – geirrt. Wir alle haben einen Wischi-Waschi-Bericht erwartet, der niemandem wirklich weh tut. Aber manchmal geschehen sogar in Österreich und heutzutage noch Wunder.
Wer diesen Bericht liest, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Natürlich war in interessierten Kreisen das Meiste bereits bekannt. Aber in dieser kompakten Form, knochentrocken serviert, hat das eine neue Qualität. Wer diesen Bericht liest (es gibt zwei Varianten im Netz, die Langform und eine 17-seitige Kurzform), kann nur zu einem Schluß kommen: die gesamte Regierung ist rücktrittsreif. Dazu der halbe Kärntner Landtag, ein paar Großkopferte in der Nationalbank und bei der Finanzmarktaufsicht (FMA). Und ein paar Leute, die gar nicht mehr zurücktreten können, weil sie längst ausgeschieden sind. Aber die bleiben alle eisern sitzen. Die Frage nach der politischen Verantwortung und den jeweiligen Fachverantwortungen stellt sich dramatisch.
Natürlich gibt es einen Erstverantwortlichen, den ursprünglichen Verursacher. Das sind Jörg Haider und seine damaligen Vasallen. Wer das mehrfach wiederholte Video-Interview mit ihm sieht, in dem er von Expansion und Big-Player auf den Ostmärkten phantasiert, immer unterlegt mit seinem legendären sardonischen Lächeln, dem rinnt es heute noch kalt herunter. Der Mann war zu diesem Zeitpunkt bereits von jeglicher ökonomischer Vernunft verlassen. Bloß: da war er nicht der Einzige. Jeder Volksschüler konnte sich ausrechnen, daß ein Bundesland mit 2 Milliarden Budget nicht Haftungen von 20 Milliarden auf sich nehmen kann. Haider agierte offensichtlich zynisch: der Bund werde im Notfall Kärnten retten müssen. Er wußte, niemand im Bund hätte den Mumm, ihn als Landeshauptmann des Amtes zu entheben und einen Regierungskommissar einzusetzen. Diesbezüglich hatte er richtig kalkuliert. Leider zu Lasten der Steuerzahler.
Diese Verantwortung von Haider ist evident und kann niemand einfach vom Tisch wischen. Nur nützt die nichts. Haider ist tot, direkte Nachfolger gibt es nicht mehr. Die Sache jetzt Strache und der heutigen FPÖ in die Schuhe zu schieben, ist ein netter Versuch. Aber auch wenn man Strache nicht besonders liebt, die FPÖ nach wie vor sehr kritisch sieht – mit dieser Sache hat sie nur am Rande zu tun. In Kärnten haben alle Parteien außer den Grünen diesen Wahnsinnskurs mitgetragen. Niemand traute sich, gegen Haider aufzumucken. Seine politischen Gegner starrten auf ihn wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie sind in hohem Maße mitschuldig.
Was dann aber folgte, gleicht dem Versuch vom Wahnsinn zum absoluten Irrsinn weiterzuschreiten. Das ist gelungen, wie wir heute wissen. Völlig überforderte Politiker (Molterer, Pröll, Fekter, Schieder) dilettierten im Finanzministerium herum. Die Nationalbank in Person von Herrn Nowotny war offenbar aus politischen Gründen nicht bereit, Klartext zu reden. Die FMA ist ein Kapitel für sich. Die quälen kleine Unternehmer im Waldviertel, die neue Finanzierungsformen suchen, während die großen Gauner bei der Vordertür das Geld raustragen. Dann kam die »Notverstaatlichung« entgegen dem Rat der allermeisten Experten (die waren dafür, die Bank in die Insolvenz zu schicken). Gleichzeitig setzte die EU eine Frist, innerhalb derer die Bank abgewickelt (=aus dem Bundeseigentum verschwinden) mußte. Kein Schwein hat sich darum gekümmert, diese Frist möglichst weit hinauszuschieben. Wie soll man Assets gut verkaufen, wenn die potentiellen Käufer wissen, daß der Bund das Zeug bis Ende 2016 verkaufen muß?
Aber statt jeden Tag in Brüssel auf der Matte zu stehen, erfreute uns Frau Fekter mit neuen Erkenntnissen in Sachen englischer Sprache. In Brüssel war sie genau ein Mal. Dafür hat Pröll es auf »österreichisch« versucht, wie man von Insidern hört. Angeblich hat er bei einem Würstelstand-Gespräch versucht, den damaligen bayrischen Finanzminister (CSU!) auf den Verzicht von ein paar Milliarden einzuschwören. Wie man das in Österreich unter Jagdfreunden halt so macht. Die Sitten in Bayern scheinen da doch ein wenig anders zu sein. Zumindest, wenn ein Ösi-Jagdfreund im Spiel ist. Der Bayer verdrückte sein Würstel und verdrückte sich. Eine Aktion nach dem Motto »Wie der kleine Pröll sich die große Welt halt so vorstellt«. Jetzt ist er Landesjägermeister und schießt seine Böcke nicht mehr im Finanzamt, sondern bei Raiffeisen. Hoffentlich richtet er dort nicht allzu viele Flurschäden an. Denn da würden wahrscheinlich wiederum die Steuerzahler zur Kassa gebeten werden.
Vor der letzten Wahl kam dann der eigentliche Höhepunkt des Spektakels: man kehrte die ganze Sache unter den Teppich. Der wölbte sich daraufhin zwar in Höhen à la Großglockner, aber unterm Teppich ist unterm Teppich. Land der Berge … Nur keine Irritation vor der Wahl. Da war sich die große Koalition endlich einmal so richtig einig. Man erstellte fröhlich ein falsches Budget, also eines ohne Zahlungen für die Hypo und ohne Ausweis der deutlich erhöhten Staatsschulden. Kein Problem. Steuerreform mach ma auch. Zahlen die Milliardäre. Oder niemand. Wurscht. Vor der Wahl ist vor der Wahl. Ändern wir eben nach der Wahl. Kein Problem, Erstens habn wir eh kein Konzept. Zweitens: Wir sind dann eh für fünf Jahre gewählt. Also keine Eile. Nur die arme Wählerschaft nicht irritieren. Die könnte glatt überfordert sein bei solchen Summen. Kapiert man ja selbst als Kanzler nicht solche Beträge. Nullen ist man im Kanzleramt ja gewöhnt, man rätselt dort bloß noch immer, wie viele Nullen man bei 28 Milliarden braucht, um das mathematisch exakt aufzuschreiben. Erkenntnis: noch mehr Nullen ins Kanzleramt und in die Regierung. Damit wir die Milliarden darstellen können.
Wie gesagt: das Mindeste wäre eine ganze Reihe von Rücktritten. Aber da stellt sich wirklich die Frage, was politische Verantwortung eigentlich bedeutet. Ein Rücktritt allein kann doch nicht alles gewesen sein. Ab in die Pension, und das wars? Kann wohl nicht sein. Jeder Unternehmer, der so einen Schaden verursacht, muß ins Insolvenzverfahren und mehrere Jahre am Existenzminimum leben. Nicht so unsere Politiker. Und das betrifft alle Ebenen vom Bund bis zur Gemeinde. Sie können den größten Schaden anrichten und rauschen ab.
Nichts ist so billig wie politische Verantwortung. Sie kostet zwar Amt und Machtallüren, aber im Geldbörserl oder auf dem Bankkonto spüren sie nichts von dieser Verantwortung. Es ist die von mir benannte kollektive Verantwortungslosigkeit. Abgeordnete nicken ab, was ihnen vorgelegt wird. Politiker danken zur Not ab. Banker verschwinden mit Sonderverträgen in ertragreicher Pension. Die Rechnung bitte an die Steuerzahler. Was immer da oben und von denen da oben vermurkst worden ist. Wurscht. Die Zeche zahlt wer anderer.
Ich höre schon die Einwände: Wenn die Politiker für Schäden haften, dann bekommen wir keine Leute mehr in die Politik. Wir finden jetzt schon keine Leute, die sich ein Bürgermeisteramt antun. Würde dieses Argument stimmen, dann fänden sich seit ewiger Zeit schon keine Unternehmer mehr. Die tragen nämlich genau solche Risken: jede ihrer Fehlentscheidungen zahlen sie selbst oder büßen mit jahrelangem Dahinvegetieren am Existenzminimum. Ich rede hier nicht von den Bankern, die, mit Boni gefüttert, in ihre Villen an der Cote d’Azur abrauschen. Das sind Angestellte, die es sich dank der Anonymität von Großkonzernen richten können, in denen es keine direkten Eigentümer mehr gibt. Dort tragen das Risiko viele kleine Aktionäre und Leute, die ihre Alterssicherung vermeintlich in Pensionsfonds finden. Ich wage also die Behauptung: es würden sich genug Leute finden, auch dann, wenn Politiker für ihre Handlungen haften würden.
Was wir brauchen sind neue Regeln, die klar festlegen, daß es neben der politischen Verantwortung auch eine finanzielle gibt. Bei fahrlässigem Handeln muß es möglich sein, auch von politischen Entscheidungsträgern jene finanziellen Konsequenzen zu verlangen, die auch jeder »normale« Unternehmer tragen muß, wenn er sein Unternehmen in den Sand setzt. Auch die Experten, auf Basis deren Gutachten Politiker gern jene Entscheidungen treffen, die sie ohnedies längst getroffen haben, gehören hier in die Haftung genommen.
Allerdings wäre es ziemlich naiv, zu erwarten, daß die Politiker solche Gesetze, die sie selbst betreffen, auf den Weg bringen. Da schröpft man lieber die Steuerzahler und drangsaliert die einfachen Bürgerinnen und Bürger mit Schikanen aller Art. Als Bürger kann man leider keine »politische Verantwortung« übernehmen und sich in eine wohldotierte Pension absetzen.
Vielleicht kann man doch noch etwas POSITIVES dem „Drama vom Gmunden“ abgewinnen und als Konsequenz aus dem Scheitern der Politik in dieser Stadt für die Zukunft von ganz Österreich neue politische Regeln von der Politik/Gesetzgebung erzwingen!
Sehr geehrter Herr Amon,
ich kenne Sie zwar nicht persönlich und vermute auch, daß sich Ihre politische Grundeinstellung von meiner unterscheidet, so sehe ich doch eine gewisse Synergie.
Ihr gestriger Gastkommentar deckt sich haarscharf mit meinen Postings der letzten Wochen in diesem Blog, ausschnittsweise unten nochmals angeführt.
Auch Sie fordern anscheinend schlichtweg eine gesetzlich verankerte
P O L I T I K E R H A F T U N G,
ähnlich weitgreifend wie die wirtschaftliche Verantwortung eines Unternehmers in der Privatwirtschaft.
Der Vergleich Hypo Skandal mit der Situation in der Stadtgemeinde Gmunden ist absolut naheliegend und erschreckend!
Aufgrund der hohen Besucherzahlen in diesem Blog behaupte ich, daß die GmundnerInnen sehr wohl politisch interessiert sind und eine starke Lobby darstellen.
Wenn auch in Gmunden schon vieles zerstört und irreparabel ist, so könnten unsere kleine Stadt und Ihre Bewohner, AUSGANGSBASIS für eine neue, österreichweite, überparteiliche Initiative sein, die die Politikerhaftung zwingend einfordert!
Fernab Ihrer journalistischen Tätigkeit lade ich Sie ein, diesbezüglich zusammenzuarbeiten, und ersuche um Ihre Unterstützung, eine solche Initiative gemeinsam zu begründen.
Alle gemeinsam und zusammen verfügen wir über genügend „Stimmen“, Potential und wirtschaftliche Möglichkeiten, diese Forderung umzusetzen!
Freundliche Grüße!
gstoan Gesendet am 28.11.2014 um 11:11 vormittags:
………….. Einmal mehr gilt es darüber nachzudenken und auch öffentlich zu debattieren, ob nicht in unserem Land tatsächlich eine Form der POLITIKERHAFTUNG gesetzlich verankert werden müsste!
Einmal mehr komme ich zu dem Schluss, daß hier anscheinend wirklich nur eine neue Liste für unsere Stadt helfen könnte…. nur wird das leider mangels Persönlichkeiten auch nicht klappen……………………..
gstoan Gesendet am 04.10.2014 um 1:53 nachmittags:
……… ist nicht entschuldbar. Der wirtschaftliche Schaden für die Region, für die Gmundner BürgerInnen und Kaufleute ist noch nicht ansatzweise absehbar. Wer übernimmt nun die Haftung für diesen Schaden?……………………………
Datum unbekannt:
…………….. Nur: Der Schaden ist jetzt da – für uns, für die Region und für unsere Nachkommen! Daher sollten wir exemplarisch versuchen, diesen Schaden zurückzufordern. Dafür sollte man nicht nur mit Asamer, sondern auch mit den verantwortlichen Politikern, vor Gericht gehen! Das klingt verrückt, ich bin aber überzeugt, daß man juristisch gesehen, eine Chance hätte, die Politiker für ihr Versagen der letzten Jahre zur Verantwortung zu ziehen und einen Schaden bei Gericht geltend machen zu können. So müssten auch zukünftige Politiker erkennen, daß sie für ihre Entscheidungen sehr wohl dem Volk, ihren Wählern gegenüber verantwortlich sind!………………………..
Auch wir im Team sind davon überzeugt, dass es längst eine die Parteien übergreifende Initiative rund um diesen Themenkomplex braucht. Wäre echt notwendig. Ob Herr Amon sich das neben der schriftstellerischen Arbeit antun will, kann ich Ihnen nicht sagen. Am besten, sie kontaktieren ihn direkt per Email. Seine Email-Adresse finden Sie auf seiner Homepage. Ich habe sie leider gerade nicht zur Hand.
Bruno Beinhart f. d. Team Gmundl
[…] Source: Politische Verantwortung? […]